Intervention, Genochmarkt, Wien, 2008
weisse Außenfarbe, Dachpappe
»Eine Ware scheint auf den ersten Blick ein selbstverständliches, triviales Ding. Ihre Analyse ergibt, daß sie ein sehr vertracktes Ding ist, voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken.«[1]
In ihrer Arbeit »Ökonomie der Zeit« (2008) spielen Tinzl/Flunger mit den beiden Bedeutungen des Wortes: »WAREN«: 1./3. Person Präteritum des Verbs Sein und der substantivischen Bedeutung. Als Schriftzug in weißer Farbe finden sich die Buchstaben dieses Wortes über die Dächer von fünf Pavillons verteilt, die zu einem ausgedienten Markt am Stadtrand (von Wien) gehören. Das Schriftbild bleibt den BetrachterInnen verborgen, solange sie nicht das Dach besteigen, von dem aus sie zugleich den verlassenen Markt aus der Vogelperspektive überblicken können.
Wie ein Vanitas-Motto kapitalistischer Produktionsverhältnisse steht das Wort - zugleich banaler Verweis auf den Inhalt des Marktes - da.
Der Tauschwert, im Unterschied zum Gebrauchswert, der nach Marx die Ware charakterisiere verschleiert die ihr zugrunde liegenden Produktionsbedingungen. Zu diesen gehört auch die Einsparung von Arbeitszeit, die Ökonomie der Zeit. Diese führt allerdings in der Regel nicht, wie man vermuten möchte, zu einem Gewinn an Freizeit, sondern zu einer Produktionssteigerung, die der Wettbewerb verlangt. Die Stilisierung dieser Bedingungen - als naturgegeben oder durch die GewinnerInnen dieses Prozesses verschuldet -, ist die gängige Mystifizierung der Struktur des Marktes. Eine Mystifizierung, die im Titel der Arbeit von Tinzl/Flunger anklingt, der nüchtern nahe legt - was schon die Spatzen von den Dächern pfeifen -, dass nämlich die »Ökonomie der Zeit« für die meisten, - so auch für den kleinen Markt am Stadtrand-, das Ausscheiden aus dem Wettbewerb bedeutet, und das dies eine logische Konsequenz der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse ist.
[1] Karl Marx/Friedrich Engels - Werke, Band 23, Das Kapital, Bd. I,
Erster Abschnitt, S. 49 - 98, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1968, S.85.
Text: Katharina Rettelbach, 2008