Kleiner Morgen

 

audio-visuelle Rauminstallation

Dauer: 60’

Sala Terrena - Heiligkreuzerhof, Wien, 2007

Essl Museum - Kunst der Gegenwart, Klosterneuburg, 2008


Video, Sprechtext, 4 Lautsprecher,
4 Lautsprecherstative, Beamer, Holz, Stoff, Kabel


Das Wort »morgen« des Titels bezieht sich auf die Balkan - Redewendung »malo morgen« (ein bisschen Morgen), die benutzt wird, um vom Heute auf eine nicht näher definierte Zukunft abzulenken, ein Irgendwann. Man könnte auch sagen, es heißt soviel wie: »So gut wie nie.«


Das dokumentarische Video haben wir letzten Sommer in einem kleinen Dorf mit dem Namen Strgačina in Ostbosnien aufgenommen, wo wir mit elf weiteren Künstlerinnen und Künstlern gelebt, diskutiert, recherchiert und gearbeitet haben.


Der Nebel ist ein Element, das typisch für diese Region in Ostbosnien ist. Er wird z.b. immer wieder in der Literatur und in Filmen thematisiert. Die Arbeit »kleiner morgen« spielt mit diesem Nebel, mit dem Verdecken, Verhüllen, Verschwinden, Vergessen auf der einen Seite, aber auch mit dem Freilegen, dem Klären, dem Sichtbarwerden, dem Erinnern.


Die Landschaft, das trügerische, romantische Bild ist für uns ein hochpolitisches: Genau hier haben im 2.Weltkrieg die ersten ethnischen Säuberungen und Vertreibungen stattgefunden, der idyllische See ist ein Stausee, den Tito in den 1980er Jahren anlegen ließ. die Bahnlinie Sarajevo-Belgrad, die sich am Talboden entlangschlängelte, wurde eingestellt, die Häuser geflutet und an den Uferhängen neu erbaut. Die Arbeitsmigration in den Westen setzte ein.


Im Zuge des Balkankrieges in den 1990er Jahren wurden die Bewohner und Bewohnerinnen dieses Landstrichs wieder Opfer von ethnischen Säuberungen und von Vertreibung. Ihre Häuser wurden niedergebrannt, die Gegend teilweise vermint, viele Menschen waren auf der Flucht. Die wenigen Rückkehrer/innen, die um den Wiederaufbau ihrer Häuser kämpfen, schauen heute auf den Stausee, der zur Energieerzeugung gebaut wurde - und haben noch immer keinen Strom.


Die Stimmen aus den Lautsprechern brechen ein romantisches Bild. Es werden von den Mitreisenden Zitate aus Tageszeitungen, theoretischen Büchern und Zeitschriften gesprochen, die sich auf den Krieg, das Begegnen, den Sehsinn und auf Fragen nach der Realität beziehen. Diese ineinandergreifenden Botschaften geben eine Vielfalt von Assoziationen und Meinungen wieder. Sie verdichten sich zu einem Stimmennebel.


Für die Unterstützung danken wir den SprecherInnen:
Džemil Bahtović, Laura Bott, Helmut Heiss, Elvedin Klačar, Claudia Miotti, Maruša Sagadin, Cornelia Silli, Tatia Skhirtladze, Anna Witt, Hannes Zebedin

Ausführliche Begleitdokumentation des Projekts als Buch:

Download Buch Kleiner Morgen als pdf (0,98 MB)

Dank an:

EMANUEL und SOFIE FOHN-STIPENDIENSTIFTUNG

die angewandte Tirol Kultur